Sie waren losgegangen, um Pilze zu suchen. Eierschwammerl kannte er, Bärentatzen und Herrenpilze. Seine Oma hatte ihm gelernt diese von anderen zu unterscheiden. Wie sie es ihm gezeigt hatte, schnitt er die Pilze mit dem Messer knapp über dem Boden ab. Er war stolz, es benutzen zu dürfen. Der Freund seiner Mutter hatte es ihm geschenkt.
Im Wald roch es nach Holz, nach den Pilzen und dem feuchten Boden. Er mochte diese Gerüche.
„Es ist ein Bowie Messer,“ sagte der Freund seiner Mutter, „pass gut auf, es war sehr teuer.“
Der Griff war aus hellem Holz mit einer blauen Banderole vor dem kupfernen Griffschutz. Ihm gefiel die Klinge. Sie war geschwungen wie ein Säbel, ein Steg trennte den Oberteil von dem unterem. Auf der Klinge war eingraviert: „Bowie knife. USA.“ Auf der oberen Seite waren Einkerbungen, sie sahen aus wie eine Feile.
„Für Fische zum Abschuppen“, sagte der Freund seiner Mutter, „wenn du einmal einen Fisch fängst.“
Seine Mutter hatte ihm das Messer genommen, als der Freund wieder weg war.
„Es ist gefährlich und außerdem verboten. Die Klinge darf nicht länger sein, als der Durchmesser deiner Handinnenfläche breit ist“, erklärte sie ihm.
Zwei Jahre nach ihrem Tod, an seinem zwölften Geburtstag, hatte die Oma ihm das Messer gegeben.
„Jetzt bist du groß genug“, hatte sie gemeint. „Pass gut auf, es ist sehr scharf.“
Sie lebten in einem Haus im Dorf. Seine Oma und er. Durch die Waisenrente und ihre Pension, sie hatte immer gearbeitet, ging es ihnen gut. Seine Oma bestand trotzdem darauf, die Früchte des Waldes, wie sie es nannte, zu ernten. Weil sie es auch früher getan hatte und auch ihre Mutter, deren Mann im ersten Weltkrieg geblieben ist.
„Und, wenn wir schon im Wald sind,“ sagte sie und lächelte, „nehmen wir einen Korb mit. Für Fallholz. Das brennt gut und wir können uns eine Kanne Kaffee kochen.“
Für einen Bub in seinem Alter hatte er viele Freiheiten und lebte deswegen mit den Launen seiner Oma. Darum ist er auch immer mit ihr in den Wald gegangen. Und auch wegen dem Messer.
Sie sammelten in der Nähe des Weges um sich nicht im Wald zu verirren. Davor hatte seine Oma Angst. Er wollte weiter in den Wald hinein, sie verbat es. Wenn er aber mit seinen Freunden unterwegs war, trauten sie sich bis zu der Höhle in der Nähe des Felskammes an der Ortsgrenze. Er erzählte es ihr nicht. Heute aber blieb er, weil sie es so wollte, in Sichtweite des Wanderweges.
Zwei Fremde kamen den Weg entlang. Piefkes, dachte er, waren es, man erkannte sie am Gewand. Und. Am Schritt und an ihrem Blick. Er erinnerte sich an den Besuch des Bürgermeisters in der Schule und daran, was er gesagt hatte: „Seid immer höflich und grüßt auf jeden Fall alle Menschen im Ort, die ihr nicht kennt. Das sind die Gäste. Die bringen uns Geld und wir leben von ihnen.“
„Grüß Gott“, sagte er.
„Was sammelst du, Kind?“ sagt der Mann.
Die Frau lächelte ihn an.
„Brennholz, für den Ofen. Oma sagt, man darf das Holz das am Boden liegt sammeln.“
„Komm“, sagte die Frau, winkte ihn her, kramte eine Geldtasche heraus und gab ihm eine zwanzig Schilling Note.
„Damit kaufst du dir etwas schönes“, sagt die Frau.
„Danke“, sagte er, spürte die Röte in seinem Gesicht, stopfte das Geld eilig in seine Hosentasche und ging tiefer in den Wald.